Diese Geschichte schrieb leobooklove.jimdosite.com @leobooklove_autorin Romance

DramaLama

„Mama! Hilfe!“

Vor Schreck lasse ich fast das Buch fallen. Mein Blick schweift suchend über das Wasser. Es dauert nur wenige Sekunden, bis ich meine wild mit den Armen fuchtelnde Tochter entdecke.

„Mama, schnell!“, ruft sie. Die Panik in ihrer Stimme ist unüberhörbar.

Ich folge ihrem Fingerzeig, entdecke ihr quietschgelbes Lama, das vom Wind weggetrieben wird.

Mit einem Satz bin ich auf den Beinen, werfe das Buch auf den Liegestuhl und flitze los. Wenn ich schnell genug bin, kann ich etwas weiter vorn ins Wasser rennen und das Lama retten.

Zwanzig Euro hat es mich gekostet, aber für Marie ist es weit mehr, als nur ein aufblasbares Schwimmtier.

Mein Atem rasselt. Ich sollte dringend mehr Sport treiben. Ich hätte ihr nicht erlauben sollen, das Lama mit ins Meer zu nehmen. Der Wind ist viel zu stark, die Wellen zu unberechenbar. Warum bin ich nicht mit ins Wasser? Den Liebesroman hätte ich auch abends, wenn Marie schläft, weiterlesen können. Wobei sie hier im Urlaub deutlich später ins Bett geht, als sie es mit ihren zehn Jahren tun sollte.

Immer wieder schweift mein Blick zum Lama. Es ist so schnell unterwegs, als hätte es einen Motor eingebaut. Zu allem Übel treibt es der Wind immer weiter aufs Meer hinaus. Mit jedem Schritt schwindet meine Hoffnung, es einzuholen.

„Mama!“, schreit Marie, die mir dicht auf den Fersen ist. „Tu doch etwas!“

Ich höre ihr Schluchzen, das auch mir sofort die Tränen in die Augen treibt.

Ich bleibe stehen. Mit dem Gedanken, dass ich es Marie zuliebe wenigstens versuchen muss, gehe ich ins Wasser, merke jedoch sofort, dass das eine blöde Idee war. Ich hätte mir keine schlechtere Stelle aussuchen können. An der Stelle, an der wir unseren Strandplatz haben, hat es nur wenige Steine, aber hier befindet sich eine große Platte.

„Aua!“, entfährt es mir und ich knicke etwas ein. Ich presse die Lippen zusammen, schaue zum Lama.

„Mein Papa holt es!“

Ich wende mich der Stimme zu, sehe einen Jungen, der neben Marie steht und aufs Wasser zeigt.

Als ich mich umdrehe, entdecke ich einen Mann, der auf einem Stand-up-Paddle sitzt und dem Lama entgegenpaddelt. Ich halte den Atem an, als ihm nur noch wenige Zentimeter fehlen. Er streckt den Arm aus und packt das Lama am Ohr.

„Jaaa!“, schreien Marie und der Junge gleichzeitig.

Ich beobachte den Mann, wie er ein Seil am Haltegriff des Lamas befestigt. Dann schnappt er sich das Paddel. Mit kräftigen Bewegungen kommt er dem Strand immer näher, das Lama im Schlepptau.

„Komm aus dem Wasser“, sagt Marie und ich drehe mich zu ihr um.

Der Junge und Marie jubeln, als der Mann ihr das Lama überreicht. Und ich fluche innerlich. Ich hätte nur ein kleines Stück weiterlaufen müssen, dann hätte ich ohne diese verdammte Steinplatte unter meinen Füßen ins Wasser rennen können. Schon der erste Schritt lässt mich aufstöhnen.

„Warte, ich helfe dir“, sagt der Mann und hält mir seine Hand hin.

Ich ergreife sie. Seine Augen haben dieselbe Farbe wie das Meer. „Danke“, hauche ich. In meinem Bauch kribbelt es.

„Sehr gern geschehen. Ich heiße Matteo, mein Sohn Danilo.“

„Sylvie.“ Humpelnd gehe ich an den Strand. „Und das ist Marie.“ Ich zeige auf sie.

„Lass mal sehen“, sagt er, zeigt auf meinen Fuß und geht in die Knie. „Keine Schnittwunde, wahrscheinlich gequetscht. Das wird einen Bluterguss geben.“ Er steht wieder auf. „Nicht erschrecken“, warnt er.

Ehe ich reagieren kann, hebt er mich hoch, als wäre ich eine Feder.

„Das ist nicht nötig“, nuschle ich. Durch seine Berührung, Haut auf Haut, ist alles in mir in Aufruhr.

„Tue ich gern“, sagt er und geht zu seinem Platz. Dort kann ich mich auf den Liegestuhl setzen.

„Ich möchte mich gern mit einem Abendessen revanchieren“, sage ich. „Das ist das Mindeste.“

Marie und Danilo rennen zum Wasser.

Er lächelt. „Da sage ich nicht nein. Und morgen bezahle ich.“

Ein Lachen entwischt mir. „Aber dann stehe ich erneut in deiner Schuld.“

„Ich weiß. Volle Absicht.“ Er zwinkert mir zu, beugt sich zu mir. Mein Puls beschleunigt sich. „Ich könnte mir nichts Schöneres vorstellen, als den Rest des Urlaubs mit dir zu verbringen.“

„Klingt wundervoll“, hauche ich und muss mich zusammenreißen, seine Lippen nicht augenblicklich in Beschlag zu nehmen.