Das Licht in der Dunkelheit
Sobald ich das Auto zwischen zwei LKW geparkt hatte, drehte ich den Schlüssel um und blickte über die Schulter zu Joey. Mein kleines Mädchen schlief tief und fest in ihrem Kindersitz. Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Sie sah so friedlich aus. Nichts deutete mehr auf die vorhin geweinten Tränen hin, die Angst, die ich gesehen hatte. Das beruhigte mich ungemein.
Leise stieg ich aus dem Auto, ging um dieses herum und öffnete die Tür. Vorsichtig schnallte ich sie ab, um sie herauszuheben. Sie quengelte leise, wachte aber nicht auf. Stattdessen legte sie ihr Köpfchen auf meiner Schulter ab, während sich ihre Ärmchen fest um mich geschlungen hatten. Weil es draußen kalt war, nahm ich ihre Schmusedecke heraus und legte sie ihr um die Schultern. Es war ihre erste Fahrt mit einer Fähre und ich war froh, dass sie diese offenbar verschlafen würde.
Mit meiner Tochter im Arm ging ich hoch auf das Deck und atmete tief die kalte Meeresluft ein. Schloss für einen Moment die Augen. So hatte ich mir das alles nicht vorgestellt.
Seit ich ein kleines Mädchen gewesen war, hatte ich davon geträumt, eine Familie zu haben. Mutter zu sein. Als Teenager wurde ich dafür von allen möglichen Seiten kritisiert, aber es war mir egal gewesen. Feminismus bedeutete für mich, dass ich eine Wahl hatte, und diese hatte ich für mich getroffen.
Ich wollte Mutter und Ehefrau sein, wollte mein Kind zu seinen Hobbys fahren und Spieldates ausmachen. Als jemand, der aus einer kaputten kam, wollte ich nur eines – eine intakte Familie, ein sicheres Heim für mein Kind. Einen Ehemann, der mich liebte. Der nicht wie mein Vater war.
Niemals hätte ich damit gerechnet, dass meine Ehe genauso scheitern würde, wie die meiner Eltern. Doch das Leben war das, was passierte, während man selbst Pläne machte. Dass meine Tochter und ich dazu gezwungen waren, unser Heim zu verlassen, weil jemand anderes unseren Platz eingenommen hatte, brach mir das Herz auf unzählige Arten.
»Mama?«
Ich räusperte mich leise und wischte mir mit der freien Hand die Tränen von den Wangen, bevor ich Joey mit einem sanften Lächeln ansah. »Ja Süße?« Sanft strich ich ihr eine schwarze Strähne aus dem verschlafenen Gesicht.
»So dunkel.« Sie rieb sich mit einer Hand die müden Augen.
»Ich weiß, mein Schatz.« Tatsächlich war es auf Deck dunkler, als ich gedacht hatte, aber wir standen auch draußen. Drinnen war es hell. »Aber das ist okay.« Ich drückte ihr einen Kuss auf die Stirn und sah auf, als aus der Ferne ein Licht immer wieder an uns vorbei huschte. »Dunkelheit ist nicht unser Feind, weißt du?« Meine Gedanken wanderten zu den Worten meiner Mutter, als sie mit mir auf eben dieser Fähre gewesen war. Vor all den Jahren. »Aber wenn sie dir doch Angst macht, vergiss nicht, dich umzusehen.« Als ich zu Joey sah, die ihre Äuglein geöffnet hatte, deutete ich in die Richtung des Leuchtturms, der die Dunkelheit der Nacht erhellte. »Von irgendwoher wird immer ein Licht kommen.«