Ein wahrer Sonnenschein

Alyzé parkte ihren Tracker nahe der Bar und stieg aus. Der wendige Raumgleiter schnaufte noch einmal durch, bevor sich der Antrieb beruhigte.

Routinemäßig sah sie auf ihren ExoSense, das Display am Handgelenk leuchtete umgehend auf. Fast Mittag. Ohne den kleinen Computer hätte sie das nur grob einschätzen können. Der Nebel hing tief unter dem dunklen Himmel und schon auf weniger als hundert Meter Entfernung wirkte alles diffus.

Alyzé sah sich trotzdem um. Die meisten Park-Slots waren belegt, hauptsächlich von Cargo-Schiffen. Auf den zweiten Blick identifizierte sie drei Ambusher. Fast so groß wie die Cargos, aber robuster. Allerdings ohne militärische Kennung. Vielleicht eine Nachtschicht im Feierabend? Jedenfalls kein Grund zur Sorge.

Alyzé ging zum Heck, steckte das Ladekabel ein, prüfte die Parameter und bestätigte die Daten. Der ExoSense berechnete eine Ladezeit von 29 Minuten und 33 Sekunden. Genug Zeit für einen Drink.

Sie stieß die Tür der Bar auf und trat ein. Sofort musste sie einem ziemlich ungepflegten Riesen ausweichen, der Richtung Ausgang walzte.

„Weg da“, blökte er und rempelte sie unsanft an.

Alyzé wurde gegen die Wand gedrückt, die sich seltsam klebrig anfühlte, und der Kerl quetschte sich nach draußen.

Sie löste sich von der Wand und warf ihm einen wütenden Blick durch die sich schließende Tür hinterher.

„Was für ʼn Arsch“, murmelte sie.

„Danke“, gab eine tiefe Stimme rechts von ihr zurück. Sie sah hinüber. Ein Typ beugte sich mit prüfendem Blick auf seinem Barhocker nach vorn. „Gleichfalls.“

Er hatte ein Glas Bier vor sich und war damit offensichtlich nicht ausgelastet.

Alyzé zuckte mit den Schultern und nahm mit etwas Abstand ebenfalls einen Hocker in Beschlag. „Sorry, nicht alles dreht sich um dich.“

Er nickte. „Wenn ich bei der Arbeit irgendwas gelernt habe, dann das.“

Der Barkeeper tauchte auf. „Einen Drink?“

Alyzé nickte. „Einen Limelight, bitte.“

Sie aktivierte die Hologramm-Funktion ihres ExoSense. „Schon mal gesehen?“

Der Barkeeper musterte das Bild. „Nein. Wer ist der Typ?“

„Ein Betrüger“, erklärte Alyzé knapp. „Ein wahrer Sonnenschein. Fliegt wohl ein Cargo. Soll hier gesehen worden sein.“

„War ein paar Tage nicht da. Sorry.“ Er deutete zum völlig verdreckten Fenster. „Versuch’s mal drüben im Motel.“

„Zeig noch mal“, meldete sich die tiefe Stimme wieder. Der Typ ein paar Hocker weiter sah herüber.

Alyzé tat ihm den Gefallen.

Er stockte für einen Moment. „Hab ihn letzte Nacht gesehen. Aber nur kurz … hatte es wohl eilig. Anscheinend aus gutem Grund.“

Grinsend sah er auf. „Kopfgeldjägerin?“

Alyzé schüttelte den Kopf. „Private Ermittlungen.“

„Sieh an.“ Der Typ stand auf und ließ sich auf den Hocker neben ihr fallen. Er hielt ihr sein Glas zum Anstoßen hin. „Saūl, freut mich auch.“

„Alyzé. Und jetzt?“

„Soll ich die Augen offen halten?“ Er nickte in Richtung des Hologramms. „Vielleicht treffe ich den noch mal.“

„Hoffentlich nicht damit.“ Alyzé deutete auf die Waffe an seinem Gürtel. Schweres Kaliber, erkannte sie, mit Reaktor-Kern. Nichts für Kompromisse.

„Ist nur zur Abschreckung“, versicherte Saūl gelangweilt. Den Satz hatte er anscheinend auswendig gelernt.

„Schwieriges Klientel?“ Alyzé nahm einen Schluck von ihrem Drink. Gar nicht schlecht.

„Auch, manchmal. Und falsche Orte, falsche Zeit.“ Er zuckte mit den Schultern. „Aber die Bezahlung ist okay.”

„Wofür wirst du bezahlt?“

„Rohstoff-Expeditionen“, erklärte Saūl. „Suchen neue Wege zu natürlichen Energiequellen. Uran wird langsam knapp.“

„Langsam ist gut“, stellte Alyzé höhnisch fest. „Drei Jahre noch, laut Schätzung?“

Saūl leerte sein Glas und winkte ab. „Die übertreiben doch immer.“

„Na dann …“

„Und du?“ Er sah in ihr fragendes Gesicht und wurde konkreter. „Weshalb suchst du den Typen?“

„Ehebruch, der Klassiker.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Männer halt.“

„Verbindlichsten Dank!“ Saūl grinste. „Hat der einen Namen?“

„Ilyas Ryse. Aber er nennt sich Sunshine.“ Alyzé tippte sich an die Stirn.

Saūl nickte und stand auf. „Ich muss weiter. Der Drink geht auf mich.“

Er hielt dem Barkeeper sein Handgelenk zum Abrechnen hin.

„Danke.“ Alyzé hob noch einmal ihr Glas.

Saūls Antwort wurde von einem Funkspruch über sein ExoSense übertönt.

„Hey, Commander. Wir sind vollzählig und startklar. Kann’s losgehen oder sollen wir noch kurz reinkommen?“

Saūl hob sein Handgelenk. „Nein, bin schon unterwegs.“

Raues Lachen am anderen Ende. „Schade, sagt Sunsh–“

Die Stimme verstummte, als Saūl aufs Display tippte.

„Also dann!“ Er lächelte noch einmal und wandte sich zum Gehen.