Diese Geschichte schrieb katharina-drueppel-autorin.de @katharinadrueppel Krimi/Thriller

Verloren

Wie hatte es so weit kommen können? Alles in ihr drehte sich. Ein Karussell, das nicht stoppte, geschweige denn erlaubte, abzuspringen.

Sie schüttelte den Kopf. Es musste doch eine Lösung geben! Warum hatte er sie verlassen? Ihre Hände zitterten. Sie presste sie so fest auf den Küchentisch, dass die Finger schmerzten.

Wann hörte das endlich auf? Sie fühlte sich, als würde sie bei lebendigem Leib verbluten. Und Niemanden interessierte es. Wem hätte sie es auch erzählen sollen? Diese Beziehung hatte nicht sein dürfen. Unter gar keinen Umständen. Und so, wie es aussah, würde sie auch nicht sein. Warum es also weiter verschweigen? Für ihn? Sie leerte das Glas Wein vor ihr in einem Zug. Es war bereits das Zweite.

Müde legte sie den Kopf auf den Armen ab. Seufzte. Leere, soweit ihr Blick reichte. Wie oft hatte sie die Beziehung schon in Gedanken durchgespielt? Zu oft. Und immer mit dem gleichen Ergebnis. Es gab nichts, was sie tun konnte. Sie konnte ihn nicht zwingen, zu ihr zurückzukehren. Tränen liefen über ihre Wangen. Sie wischte sie mit dem Handrücken weg.

Sie hätte es wissen sollen. Jemand, der verheiratet war, meinte es nicht ernst mit ihr. Jemand, der sie in der Öffentlichkeit als beste Freundin vorstellte, strebte nicht nach etwas Ernsterem. Sie atmete tief durch. Vielleicht hätte sie ihn nicht unter Druck setzen sollen. War es ein Fehler gewesen, ihm damit zu drohen, seiner Frau alles zu erzählen? Ihr Herz zog sich zusammen. Seit sie ihm das erste Mal begegnet war, fühlte sie sich zu ihm hingezogen. Wie zwei Magnete, die unweigerlich aufeinander zustrebten. Die wahre Liebe. Die konnte sie nicht einfach aufgeben! Sie leckte sich über die Lippen. Es schmeckte salzig. Solange er bei ihr war, war der Himmel ein bisschen blauer, strahlte die Sonne etwas heller. War das Leben watteweich wie eine Wolke.

Benommen schüttelte sie den Kopf. Der Wein hatte es ganz schön in sich. Sie streckte sich, und die Bilder vor ihren Augen verschwammen. Lieber ein Ende mit Schmerzen als Schmerzen ohne Ende. Hatte er gesagt. Sie schnaubte. Warum konnte sie nicht einfach nur glücklich sein? Mit irgendeinem anderen Kerl, der ihr die Sterne vom Himmel holte, sie auf Händen trug und für immer liebte.

Weil es eben nur irgendein Kerl gewesen wäre. Aber nicht er. Sie wollte keinen Anderen. Und wenn sie ihn nicht haben konnte, dann sollte ihn auch keine andere haben. Sie kniff die Augen zusammen, Blitze stoben vor ihren geschlossenen Lidern davon. Der Gedanke war absurd. Keine andere. Sie konnte schlecht seine Frau umbringen. Und ihn erst recht nicht. Wieder schluchzte sie heftig. Wann versiegten die Tränen endlich? So viele waren schon über ihre Wangen gelaufen. Ihr Kopf fühlte sich an, als würden Gewichte ihn nach unten ziehen. Ein Kloß breitete sich in ihrem Hals aus. Sie schluckte krampfhaft, aber er schien sich nur noch mehr zu vergrößern. Sie rang nach Luft. Panik stieg in ihr auf. Das ging vorbei. Alles ging vorbei. Ihr wurde schummerig. Was war bloß los mit ihr? Kalter Schweiß stand auf ihrer Stirn. Aber sie nahm ihn nicht mehr wahr. Ihre Welt versank in Dunkelheit, und sie rutschte vom Stuhl.

Das Letzte, was sie sah, waren seine Augen. Die sie liebevoll anblickten.

Mit Handschuhen prüfte er ihren Puls, doch der war kaum spürbar. Er holte ein blutiges Küchenmesser aus einem Plastikbeutel und drückte es ihr in die Hand. Löste es und packte es wieder ein. „Es tut mir leid“, hauchte er ihr ins Haar. Vorsichtig strich er ihr eine Strähne aus dem Gesicht. Viel zu schön, um schon zu sterben. Doch man sollte gehen, wenn es am schönsten war, nicht wahr? Er grinste diabolisch. Dann sah sich um. Als er ihr Tagebuch fand, lächelte er. Das würde reichen, um ihren Selbstmord glaubhaft erscheinen zu lassen. Und dass sie zuvor seine Frau erstochen hatte. Jetzt war er endlich frei. Seine Frau vererbte ihm ein Vermögen. Und er würde sich zur Ruhe setzen. Das Leben genießen.

Es war so einfach gewesen. Schlaftabletten in Rotwein, nichts Neues, aber effektiv.

„Schlaf gut, Prinzessin“, murmelte er, als er das Zimmer verließ. Seine Schlüssel klapperten melodisch in seiner Jackentasche, als er die Haustür schloss, in seinen Wagen stieg und davonbrauste.