Diese Geschichte schrieb @frech.dachs25 Humor

Dancing Queen

Sturmfrei! Mann auf der Arbeit, die Kinder irgendwo. Vermutlich bei Freunden. Egal, das musste ausgenutzt werden. Zuerst flog die Jacke, danach die Schuhe und zum Schluss die Jeans, um sich die bequeme Jogginghose anzuziehen. Je schneller sie die Hausarbeit erledigen würde, desto eher konnte sie ihre geliebten Hausschuhe anziehen und es sich auf der Terrasse mit einem guten Buch gemütlich machen. Wenn ihre Familie wieder auf der Bildfläche erschien, würde es mit der Ruhe vorbei sein. Sie schaute sich um. Wo waren sie? Ihre Entführer in eine andere Dimension, ihre Retter aus der monotonen Stille? Ruhig und brav wartend lagen sie neben dem Fernseher. Ihre Kopfhörer! Sehr gut. Sie setzte sie auf, schaltete die Musik und den Bluetooth-Modus ein und die Party begann.

Wie sie diese Momente genoss. Jetzt konnte sie sich vollkommen auf ihren Haushalt konzentrieren. Einschalten um abzuschalten, darauf hatte sie sich schon den ganzen Morgen auf der Arbeit gefreut. Erst summte sie nur leise mit, während die Wäsche in die Trommel verfrachtet wurde. Wie um Himmels Willen konnte man so viele Strümpfe besitzen? Gab es unter Umständen noch andere Bewohner in ihrem Haus von denen sie nichts wusste? Den Startknopf gedrückt, gab sie sich wieder ganz den Klängen der Bee Gees und „Staying Alive“ hin, wobei sie mittlerweile lauthals mitsang. Die Arme seitlich ausgestreckt, drehte sie sich im Takt dazu. John Travolta würde sicher vor Neid grün anlaufen, wenn er sehen könnte, wie sie seinen berühmten Tanzschritt mit erhobenem Arm hinlegte. Beim dritten Mal stieß ihre Hand jedoch an das kleine Badezimmerregal und sämtliche, fein säuberlich aufgestellten Parfums flogen, samt Regal, durch die Luft, um es sich dann in der Badewanne gemütlich zu machen.

„Selbst schuld,“ dachte sie. „ Einem John Travolta stellt man sich nicht in den Weg.“

Als alles wieder an seinem Platz stand, tänzelte sie mit einem zufriedenen Lächeln und hüftschwingend ins Schlafzimmer, um die Bettdecken aufzuschütteln. Michael Jackson gab ihr mit „Don’t stop til you get enough“ den richtigen Rhythmus dazu. Geradezu synchron mit ihren Moves flogen die Decken an der frischen Luft. Zwei Vögel, die es sich auf einem der gegenüberliegenden Bäume bequem gemacht hatten, schauten sie entzückt oder eher entgeistert an, entschieden sich dann aber doch, spontan an diesem lustigen Schauspiel teilzunehmen. Auf dem Ast fröhlich hin und her hüpfend zwitscherten sie im Duett so laut es ging. Was für ein wundervoller Tag. Sie war voller Energie und sich sicher, dass nichts diese Power aufhalten konnte. Im Anschluss wurde es rockig, als KISS ihr „I was made for loving you“ mit dem dumpfen Bass eröffneten. Die Luftgitarre fest im Griff, sang sie so laut, schräg und falsch es nur ging. Mit schwingenden Haaren, wobei ihre Halswirbel verdächtig knackten, tanzte sie ins Wohnzimmer und überzeugte dort die Zuschauer in den Bilderrahmen mit einem gekonnten Solo. Die Gitarre wurde natürlich am Ende des Liedes in zig Stücke zerschlagen und langsam fing sie an, ihren eigenen Körpergeruch nach dieser auspowernden Einlage wahrzunehmen. Jetzt könnte ihr etwas Ruhigeres den anstehenden Abwasch des Geschirrs versüßen. Da kamen ABBA und „Fernando“ genau richtig. Noch etwas außer Atem drehte sie dennoch einige Pirouetten bis zur Küche. Jedoch unterschätzte sie den gefliesten Boden und die Tatsache, dass sie nur Strümpfe an den Füßen trug. Das rechte Bein flog in die Höhe und für eine Sekunde war sie erstaunt, wie gelenkig man in ihrem Alter noch sein konnte, um gleich darauf mit einem gewaltigen „Rumms“ auf dem Boden zu landen.

 

„Herr Wildberg, wissen Sie zufällig wie Ihre Frau das angestellt hat? Da muss schon eine Menge Energie im Spiel gewesen sein, damit das Steißbein bricht“. Der freundliche Arzt sah den Mann fragend an.

„Ich habe absolut nicht die geringste Ahnung, Herr Doktor. Als ich nach Hause kam lag sie auf dem Küchenboden, weinte und lachte gleichzeitig und stammelte immer wieder etwas von „Dancing Queen“!