Diese Geschichte schrieb @jana_lycka_autorin Krimi

Auf unserer Bank

Frank lehnte lässig an seinem Auto und tippte in sein Smartphone. Bei unserer ersten Begegnung stand er fast an derselben Stelle. Das Auto war damals kleiner und billiger und sein Haar eine Spur dichter, doch sein Lächeln strahlte genauso hell wie jetzt, als er mich entdeckte. Sah er auch Veränderungen bei mir? Es war kein leichtes Jahr, das hinter mir lag. Eifersucht ließ mich Vergleiche anstellen mit Mariella, die ich in Wahrheit nie gesehen hatte. Ob er ihr gerade geschrieben hatte?

„Mein Liebling!“ Sofort fielen die Gedanken ab. Es blieb nur Vorfreude auf seine Reaktion, wenn ich ihm meine Neuigkeiten erzählte.

Frau Lehnert führte das kleine Hotel im Schwarzwald schon seit über zwanzig Jahren. Fast genauso lange kannte sie uns. Jedes Jahr zur selben Zeit fielen wir in ihr Haus ein, verbrachten erst zwei Tage auf dem Zimmer, dann Stunden an ihrem Büffet. Unsere „Geschäftsreisen“ hatten mich in dieser Zeit am Leben gehalten.

Zuhause erwartete mich nur Rainer, den ich mit jedem Jahr mehr hasste, wenn ich zurückkehrte in das triste Haus. Unser Leben war still, weil Rainer keine Kinder wollte, einsam, weil Rainer keine Tiere im Haus duldete, und frustrierend, weil Rainer und ich kaum mehr miteinander sprachen, ohne die Kraft, uns endlich zu trennen – weil Rainer sich sorgte, was die Leute dazu sagten, und weil ich wusste, dass mein kleines Gehalt nicht ausreichte, um alleine klarzukommen.

Mein Lebenselixier war dieses kleine Hotel im Schwarzwald, in dem ich an 360 Tagen des Jahres in Gedanken und an fünf Tagen tatsächlich Kraft tanken konnte. Rainer wunderte sich nie, warum die Firma diesen Kurs, der vor fünfzehn Jahren wirklich einmal stattgefunden hatte, alljährlich wiederholte.

Nach zwei Tagen im Bett fühlten sich die Kleider ungewohnt an auf der Haut. Wir plünderten das Büffet unter Frau Lehnerts mildem Lächeln und spazierten dann zur Kapelle. Dort ließen wir uns auf der Bank nieder, auf unserer kleinen, pastellig grünen Bank. Hier hatte ich erfahren, dass auch Franks Ehe mit Mariella eine Farce war.

„Ich hab es getan!“

„Was, mein Liebling?“

„Unser Plan!“

Ich spürte, wie ein Ruck durch Frank ging. Er versteifte sich merklich, und auch wenn ich es mir noch nicht eingestand, war das der Moment, in dem ich wusste, dass es zur Katastrophe kommen würde.

„Du meinst doch nicht…?“

„Doch, wie wir es durchgesprochen haben.“

„Großer Gott, das ist nicht dein Ernst?“

Ich erschauerte. Sein Blick war kalt, fast so, als hätte er Angst vor mir.

„Natürlich. Wir haben es doch besprochen.“

Die Pillen, das Herz, es hatte tatsächlich so funktioniert, wie Frank und ich es uns ausgemalt hatten.

„Jetzt können wir zusammen sein.“

Frank stieß ein Geräusch aus wie ein Tier.

„Du musst Mariella nur noch verlassen.“

„Wen?“ Er schien verwirrt.

„Deine Frau?“

„Ach so …“ Er fuhr sich mit den Händen übers Gesicht. „Liebling, das ist alles nicht so einfach.“

„Wieso? Du musst Mariella nur noch verlassen.“

„Es gibt doch gar keine Mariella“, platzte es aus ihm heraus.

Jetzt war ich es, die steif wurde.

„Wie bitte?“, hauchte ich.

„Mensch, ich bin seit fünf Jahren glücklich verheiratet mit Susanne. Wir haben zwei wunderbare Kinder. Ich denke doch gar nicht daran, das aufs Spiel zu setzen.“

„Und Mariella?“

„Die habe ich mir damals ausgedacht, damit du nicht gleich mit Sack und Pack zu mir ziehst, so verzweifelt wie du von deinem Mann wegwolltest.“

„Lass uns gehen.“ Ich war sehr ruhig, und stolz darauf.

Er zögerte, trottete dann aber vor mir her Richtung Hotel.

Kaputt, alles. Dass wir nicht zusammenleben würden, störte mich gar nicht so sehr. Aber er hatte mir die fünf Tage genommen, unsere, meine fünf Tage. Die zukünftigen, aber auch alle früheren. Das konnte ich nicht ertragen.

Der Weg wurde schmaler, ich schaute mit plötzlich erwachtem Interesse in die Schlucht neben uns.

Ich kam nachts alleine im Hotel an. Frau Lehnert schlief längst. Ich packte unsere Koffer, warf die Schlüssel mit einer kleinen Entschuldigung für unsere Wirtin in den Briefkasten. Frau Lehnert hatte aus Diskretion nie darauf bestanden, unsere Ausweise zu sehen. So checkten Lisa Wehl und Herbert Krug aus. Ich fuhr, mit Franks Ausweis in der Tasche, nach Hause. Susanne tat mir leid, mit zwei Kindern … aber vielleicht hatte er sich die ja auch nur ausgedacht.