Diese Geschichte schrieb @maro_pixandstories Drama

Jan

„Steck die Tüte ein! Du willst doch nicht so in den Club reinmarschieren?“

Jan kniff kurz die Augen zusammen, steckte den Joint in seine Jackentasche und zog die Tür auf. Für einen kurzen Moment schwappte der Technoschall in die ruhige Nacht hinaus.

Zahlen mussten wir nicht, der Türsteher war ein dankbarer Abnehmer der kleinen klarsichtigen Päckchen.

„Ich schau mich mal um.“ Jan wartete meine Antwort gar nicht ab und schlängelte sich durch die tanzende Menge.

Ich tanzte mich zu meinem Stammplatz an der Bar auf dem 2. Dancefloor, an der seit kurzem Olaf arbeitete, der seinen Kugelschreiber gegen den Cocktailshaker getauscht hatte und ziemlich redselig war.

War mir recht, so kam ich in den Genuss seiner neuesten Cocktailkreationen und den letzten Gerüchten.

„Heute einen Espresso Martini bitte, kann einen Schubser gut gebrauchen.“ Er nickte lächelnd und klopfte den Siebträger aus.

Olaf servierte mir den Cocktail in einem von mir bevorzugten Tumbler, statt in dem üblichen Martini-Kelch. Mit dem Glas in der Hand drehte ich ihm den Rücken zu. Vorsichtig nippte ich an dem Schaum, unter dem sich der eiskalte, süße Kaffee mit dem Hauch Umdrehungen, die dieses Getränk so trügerisch machen, versteckte.

Die Tanzfläche war gut besucht aber nicht übervoll. Die Leute ließen sich bereitwillig von den Vortänzern auf den erhöhten Plattformen animieren und hopsten herum.

„Wo ist dein Freund?“ Olaf schob sich in mein Blickfeld und war wohl in Quatschlaune.

Schulterzuckend zeigte ich auf den unteren Dancefloor.

„Wusstest du, das wir gemeinsam in El Salvador waren?“

„Klar, wann soll das gewesen sein?“ Die Tanzfläche war interessanter als das Märchen, das er mir auftischen wollte. Jan und El Salvador, er fuhr noch nichtmal mit der S-Bahn, weil ihm das zu voll und ungeordnet war.

„In den Endachtzigern, während des Bürgerkrieges.“

„Aha, hm.“ Der Drink tat langsam seine Wirkung, ich beschloss also, dass heute Märchenstunde sein würde und drehte mich Olaf zu.

„Wir waren jung und abenteuerlustig, in Mittelamerika ging gerade der Punk ab, seit Anfang der 80er Jahre war wieder Krieg. Die Zustände in Nicaragua, die landwirtschaftlichen Reformen und Quasi-Enteignungen der Bevölkerung sorgten für Unruhen. Dann mischten sich die Amis, mal wieder, ein und am Ende gab es einen blutigen Krieg mit sehr vielen Verlusten.“

Ich schaute etwas irritiert, als Olaf mit diesem Vortrag loslegte.

„Hast du dich nie gefragt, warum Jan so lärmempfindlich ist, die Türen ständig kontrolliert und sich vor dem Schlafen gehen seine Schuhe und Hosen griffbereit zurechtlegt?“

Aufgefallen waren mir diese Spleens schon, aber lärmempfindlich und Technoclub passte nicht ins Bild. Auf diesen Einwand erwiderte Olaf, dass der schnelle Beat seine Gedanken stumm schaltete. Das Dope tat sein Übriges.

Olaf erzählte, dass sie als Reporter dahin geflogen waren und da Jan spanisch sprach konnten sie sich mit der Bevölkerung gut verständigen.

Über die Kämpfe schwieg er sich aus. Sein Gesicht verdunkelte sich, er wedelte mit der Hand und lächelte dann wieder, die Augen hingegen blieben traurig.

„Ich bin früher zurückgekehrt. Er ist noch ein zweites Mal dahin, aber die Person, die zurückkam war nicht mehr Jan. Wir hatten den Kontakt verloren, erst hier im Club hab ich ihn wiedergetroffen.“

Sein Blick schweifte über die Menge und dann wandte er sich seinen Flaschen zu und bereitete die Bestellung vor, die ihm zwischenzeitlich zugerufen worden war.

Ich trank meinen Cocktail aus.

Jan. Wo war er eigentlich? Ich drehte eine Runde im oberen und unteren Tanzbereich. Entdecken konnte ich ihn nicht.

Als ich wieder an der Theke stand, um ein weiteren Cocktail zu bestellen, schmiss Olaf plötzlich sein Geschirrtuch hin und rannte Richtung Toilette.

Ist wohl dringend, war mein Gedanke.

Kurz darauf kam er zurück, griff zum Telefon, drehte sich zu mir und rief einen Krankenwagen.