Wo ist Otto?
Eine Menschentraube auf der Straße vor dem Haus. Polizei, Feuerwehr, Rettungswagen, Notarzt vor ihrer Haustür.
Ein trommelfellzerfetzender Pfeifton, schrill und irgendwie bekannt, dringt an ihr Ohr und in ihr Hirn. Pia lässt sämtliche Taschen fallen, drängt sich durch die Menschen. Was ist mit Otto?
Feuerwehrleute, Polizisten, Krankenpfleger laufen durcheinander. Keiner achtet auf sie.
Alles dreht sich, ihr wird schwarz vor Augen. Blind greift sie nach dem nächstbesten Halt, dem Mantel eines vorbeieilenden Notarztes. Ohne Vorwarnung erbricht sie die Mahlzeiten des vergangenen Tages über seine Füße.
»Geht’s noch?«, brüllt der und klammert sich an sie, sodass beide zu Boden gehen. Dort liegen sie Brust an Brust, sprach- und atemlos.
In Pias Nase mischt sich der Geruch ihres Mageninhalts mit dem seines Rasierwassers. Aber keine Spur von Rauch.
»Ich muss zu Otto!«, ruft sie und versucht, aufzustehen.
»Sie können da nicht rein!« Der junge Arzt bleibt einfach liegen, als hätte er sonst nichts zu tun.
»Wir haben alles unter Kontrolle«, verkündet in dem Moment ein Feuerwehrmann. »Kein Brandherd auszumachen. Wir gehen jetzt rein.«
Wut, Angst und Gestank verleihen Pia Kraft. Sie befreit sich, springt auf und rennt den Feuerwehrleuten, die nun ins Haus eindringen, hinterher. Niemand hält sie auf.
Im Treppenhaus wieder dieser gänsehautverursachende Pfeifton, noch viel lauter. Und er kommt Pia so bekannt vor, wo hat sie ihn schon einmal gehört ?
Sie erreicht vor den Männern, die jede Etage sichern, ihre Wohnungstür im Dachgeschoss. Immer noch kann sie keinen Rauch riechen. Von unten hört sie jemanden rufen: »Hier sind keine Rauchmelder. Wir suchen weiter!«
Jetzt weiß sie, woher ihr der Ton bekannt vorkommt.
Pia stürmt in ihre Wohnung.
Hier ist das Pfeifen lauter als bisher. Ihre Blicke suchen Otto. Finden ihn.
In der Ecke des Zimmers, auf der Lehne ihres Ohrensessels, hockt er.
Der Kakadu reißt den Schnabel auf. Wiederholt seine perfekte Imitation ihres Rauchmelders.