Nur ein Spiel?!?

Die neue Saison hatte begonnen. Die Außenterrasse des kleinen Cafés war einladend hergerichtet. Cremefarbene Tische umrundet mit bequemen Rattan-Sesseln warteten auf ihre Gäste.

Das Licht der Frühsommersonne zauberte allerlei Schattenspiel auf den Steinboden.

Auf einem der Sessel saß ein älterer Herr, vor ihm stand ein aufgeklapptes Laptop. Abwechselnd betrachtete der Mann den Bildschirm, dann wieder die ihn umgebenden Szenerie. Mitunter tippten seine Finger etwas auf der Tastatur. Ein leichtes Lächeln umspielte sein Gesicht.

Gerade fiel sein Blick auf das Angebotsschild am Eingang. Mit verschnörkelten Lettern waren etliche Kaffeespezialitäten aufgelistet.

Eine Kellnerin lief rege zwischen Außen- und Innenbereich herum, servierte den Besuchern Tassen und Teller voll Kuchen und Tortenstücken.

Der Mann nickte und tippte:

„DIE KELLNERIN GEHT ZUR TAFEL, WISCHT ALLES AB UND BESCHRIFTET SIE NEU.“

Und tatsächlich. Ganz so wie er es aufgeschrieben hatte, geschah es.

Er ergänzte:

„EINE UMARMUNG – 50 CENT.

EIN KUSS AUF DIE WANGE – 1 EURO.

EIN LIEBEVOLLES STREICHELN DES UNTERARMS – 75 CENT.

EINIGE FREUNDLICHE WORTE – 1,25 EURO.“

Der Mann hielt einen Moment inne und auch die Kellnerin hörte auf zu schreiben.

„ZUFRIEDEN BETRACHTET SIE IHR WERK, DREHT SICH UM UND KOMMT ZU MIR AN DEN TISCH.“

So, wie er es eingetippt hatte, passierte es.

„Guten Tag, der Herr. Sie wünschen?“

„Einmal bitte das ganze Programm.“

Er hielt ihr einen 5-Euro-Schein entgegen. „Der Rest ist für Sie.“

Die Kellnerin lächelte dankend, nahm die Geldnote entgegen, breitete ihre Arme aus und schloss den Gast in die Arme. Ein zarter Kuss landete auf seiner Wange. „Sie sind ein sympathisches Wesen, liebenswürdig und adrett.“

Sie streifte ihm mit den Fingerspitzen sanft über den bloßen Unterarm. Im Nu richteten sich seine Härchen zu einer leichten Gänsehaut auf.

“ Darf ich Ihnen auch noch etwas zu trinken oder zu essen bringen?“

„Einen Cappuccino, bitte.“

Voller Wohlgefühl widmete er sich wieder seinem Laptop. Er liebte dieses Spiel!

Am Nachbartisch hatte eine junge Frau das Schauspiel beobachtet. Nun grinste sie und tippte etwas in ihr Smartphone.

Der Mann stand auf, trat zu ihr an den Tisch, stellte seinen Laptop ab und verließ wortlos das Café.

Kurz darauf erschien die Kellnerin und schaute sich verdutzt um.

„Den Cappuccino nehme ich Ihnen ab“, rief die junge Frau. „Der Herr musste leider überraschend die Szenerie verlassen.“ Sie legte ihr Smartphone vor sich und nippte am Heißgetränk. „Vielen Dank, und nun beschriften Sie die Angebotstafel bitte wieder um. Solche Gesten sollte es umsonst geben. Sie sind unbezahlbar.“

Der ältere Mann war unterdessen in einen Bus gestiegen. Er setzte sich ans Fenster und dachte plötzlich: „Was mache ich hier eigentlich? Und wo ist mein Laptop?“

„Darf ich mich zu Ihnen setzen?“, erklang eine leise Stimme neben ihm.