Diese Geschichte schrieb @juma_jaro All age Literatur

Lieblingsgeschichte

„Papa?“ Du kletterst zu mir auf die Couch und ich nehme die Zeitung herunter.

„Ja, mein Schatz?“

„Erzähl mir noch mal die Geschichte von dir und Mama und mir.“

„Schon wieder?“

„Das ist meine Lieblingsgeschichte,“ sagst du und schaust mich mit wachem Blick an.

„Na gut, dann erzähle ich sie zum drölfhundertsten Mal.“

„Die Zahl gibt es gar nich“, entgegnest du lachend und steckst mich mit deiner Freude an.

„Also“, beginne ich, „Deine Mama ist genauso verliebt in dich wie ich.“

Du schmunzelst stark. Jedes Mal bei diesem Satz. Und ich würde ihn dir jeden Tag erzählen, nur um dieses stolze Schmunzeln sehen zu können.

„Jeden Abend, wenn du schon tief und fest schläfst, erzählt sie mir, was du an diesem Tag alles gemacht hast, während ich an der Arbeit war. Dabei leuchten ihre Augen, als hätte eine kleine Fee ihren Flugstaub darin verteilt. Sie erzählt mir, was du gespielt hast, was du erzählt hast und was du Neues gelernt hast. Das macht sie seit vier Jahren so.“

„Was hat sie gestern erzählt?“

„Gestern? Hmmm, da hat sie erzählt, dass du mit dem Laufrad schnell wie der Wind gefahren bist.“

„Ich bin der Allerschnellste.“

„Ja, das bist du“, sage ich lachend. „Und stark bist du auch. Mama hat erzählt, dass du im Kindergarten mit Laura gespielt und sie auf der Schaukel angeschubst hast.“

„Laura kann es noch nich gut alleine.“

„Und da hast du ihr geholfen, oder?“

Du nickst eifrig. Wir sind so stolz auf dich. Du bist hilfsbereit und achtest auf andere. Mit deiner aufgeweckten, neugierigen und lustigen Art bringst du uns jeden Tag zum Lachen.

„Da hat sich Laura bestimmt gefreut.“

„Erzähl weiter, Papa!“

„Okay, okay. Also in den vier Jahren mit dir haben wir so viel Spaß gehabt. Du bist ein lustiger, kleiner Kerl.“ Ich kitzele dich kurz am Bauch und du weichst sofort lachend zurück. „Du kommst auf die tollsten Ideen. Zum Beispiel als du einen Parcours für dein Bobbycar gebaut hast. Das war eine richtige, kleine Rennstrecke. Oder die Schaumburg in der Badewanne, weil du die ganze Flasche Shampoo ins Wasser gedrückt hast. Oooder…“

„Wann bin ich in den Kindergarten gekommen?“, fragst du dazwischen.

„Als du zwei Jahre alt warst“, berichte ich, obwohl du die Antwort kennst. „Bis dahin war Mama den ganzen Tag zu Hause. Du warst so begeistert von den vielen Kindern. Aber Mama blieb noch einige Wochen jeden Morgen eine halbe Stunde dort, bis du erlaubt hast, dass sie geht.“

Zufrieden mit meinen Erzählungen, lehnst du dich zurück und gähnst genüsslich.

„Schlafe ich bei euch im Bett?“

„Du schläfst doch immer bei uns im Bett“, sage ich und wundere mich, wie so oft, über deine Frage.

„Mama und Papa sind immer da?“

„Natürlich! Weißt du noch, als Mama aus Versehen mit dir in den falschen Bus gestiegen ist?“

Du nickst.

„Du hast ihre Hand ganz festgehalten und immer wieder gefragt, wohin der Bus fährt, weil du Angst hattest, ihr kommt nicht mehr nach Hause. Aber wenn Mama oder ich bei dir sind, kommst du IMMER nach Hause. Wir würden dich niemals alleine lassen.“

Dein Blick verändert sich. Du weißt, dass ich die Wahrheit sage. Dass wir dich nie hergeben würden. Und zur gleichen Zeit hast du Angst, es könnte doch passieren. Deine Mama sagt, das bringt der fehlende Körperkontakt in den ersten Wochen nach deiner Geburt mit sich. Die Angst, allein zu sein, die einfach in dir steckt. Sie gehört zu dir und wir werden alles dafür tun, dass sie mit der Zeit kleiner wird. Ich ziehe dich in meine Arme und kuschele dich darin ein.

„Als wir dich im Krankenhaus das erste Mal gesehen haben, waren wir sehr glücklich. Deine Mama hat dich hochgenommen und deinen Kopf an ihr Herz gelegt. Da hast du auch später noch gerne gelegen. Sie liebt dich über alles, auch wenn sie nicht die Bauch-Mama ist.“

„Weil sie meine Herz-Mama ist.“

„Weil sie deine Herz-Mama ist.“

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