Diese Geschichte schrieb karla-schulz-autorin.jimdosite.com @karla.schreibt.drabbles Psychothriller

Ohne Erinnerung

Ein entfernter rhythmischer Piepton erreicht mein Bewusstsein, dringt durch den zähen Nebel aus Schlaf. ‚Wo bin ich?‘ Meine Augenlider öffnen sich flackernd: Im Halbdunkel ist alles verschwommen. Etwas streicht über meinen Kopf, eine leise, beruhigende Stimme, deren Worte keine Bedeutung haben, kommt von rechts. Ich scheitere daran, den Kopf zu drehen, als ich erneut in die Dunkelheit des Schlafs sinke.

Der Piepton weckt mich erneut. Diesmal ist es stockdunkel. Ich kann mich nicht bewegen. Mit aller Konzentration, die ich aufbringen kann, lausche ich ins schwarze Nichts. Schluchzen und Wehklagen dringen von fern an mein Ohr. Plätscherndes Wasser in der Nähe. Unwillkürlich denke ich an den Zimmerbrunnen, den die Grußmutter hatte. Ein wenig kann ich nun von der Umgebung erahnen: ein Zimmer, ein großes Bild an der gegenüberliegenden Wand. Die Bettwäsche fühlt sich nicht an wie meine und riecht auch nicht so. Überhaupt ist da ein zwickender Geruch in der Luft. Und mit einem Mal ist mir klar: Krankenhaus. Ich versuche, mich zu bewegen, doch es gelingt mir nicht einmal, den Arm zu heben.

‚Ich muss wissen, wo ich bin.‘ Mein Atem wird schneller. So sehr ich mich auch bemühe, ich kann mich nicht bewegen. Krampfhaft bäumt sich mein Körper kurz auf und fällt dann zurück auf das Bett. Verzweifelt versuche ich, frei zu kommen. Doch ich schaffe es nicht. Neben mir gibt eine Maschine einen lauten Alarmton von sich, die Tür wird aufgestoßen, Menschen in heller Kleidung stürmen herein. Mein Blick ist verschwommen. ‚Nein! Nur nicht wieder die Dunkelheit!‘

Hämisch lacht eine Stimme in meinem Kopf: „Aber du wolltest sie doch, die Dunkelheit. Hast Nacht um Nacht um sie gebettelt, gefleht, geheult. Und jetzt sieh dich an. Selbst dabei hast du versagt!“ Ich will schreien, sie zum Schweigen bringen, doch aus meiner eigenen Kehle kommt kein Laut.

„Ganz ruhig. Atmen Sie aus und husten Sie dabei!“ Das Gesicht einer Frau erscheint nah vor mir. Sie wiederholt die Anweisung. Röchelnd verlässt ein Schlauch meinen Mund.

„Verlegung wie angeordnet.“

‚Moment! Was passiert hier? Verlegung? Wohin? Und warum kann ich mich nicht bewegen?‘, fragend sehe ich die hell gekleideten Menschen an: ‚Was macht ihr mit mir? Wo bringt ihr mich hin?‘

Das Bett wird in den Korridor gerollt. Verschwommen nehme ich das gleißende Licht wahr, es blendet in meinen Augen. Türen öffnen und schließen sich. Murmelnde Stimmen, undeutliche Gesichter, die nicht mit mir sprechen.

Wieder kriecht die Dunkelheit in mein Bewusstsein, doch ich wehre mich dagegen, versuche den Kopf zu drehen, um den Blick von der hellen Deckenbeleuchtung abzuwenden.

Das Bett stoppt und wird mit dem Kopfende voran an die Wand geschoben. Ich versuche zu sprechen, doch nur ein leises Stöhnen verlässt meinen Mund.

„Ruhen Sie sich aus, der Doktor kommt gleich zu Ihnen.“ Die quietschenden Schritte der Gummisohlen entfernen sich und ich bin allein. Vom Fenster her dringt Licht der Straßenbeleuchtung herein und am Horizont kündigt ein oranger Streifen den Sonnenaufgang an. Ein Lächeln umspielt meine Lippen, als ich mich der Dunkelheit ergebe.

Das Klappern eines Stuhls weckt mich. Die Sonne steht bereits ein Stück weit über dem Horizont und leuchtet golden durch die Fenster. Wieder versuche ich mich zu bewegen, stoße auf Widerstand. Mein Körper bäumt sich etwas auf und sackt dann zurück auf das Bett.

„Guten Morgen, ich bin Dr. Beulig, Ihr behandelnder Arzt. Wissen Sie, wo Sie sind?“

„Krankenhaus“, haucht mein Körper tonlos.

„Kennen Sie Ihren Namen?“

„Carola Meyer.“ Die Worte verlassen meinen Mund nur mit großer Anstrengung. Dr. Beulig nickt bedächtig und notiert.

„Und den Wochentag oder das Datum?“

Ich schüttle den Kopf.

„Was ist passiert?“ Meine Lippen formen stumm die Worte.

„Sie können sich nicht erinnern?“

Wieder schüttle ich den Kopf.

„Sie sind in Sicherheit und wir werden Ihnen helfen. Doch zuerst werden gleich ein paar Polizisten zu Ihnen kommen und Sie befragen. Sie wurden neben Ihren drei leblosen Kindern aufgefunden.“

‚Nein, nein! Das durfte nicht wahr sein!‘ Mein Mund öffnet sich zum Schrei, doch es kommt nicht ein Laut heraus.

Hämisch lacht die Stimme in meinem Kopf: „Und wieder hast du versagt!“ Tränen rinnen über meine Wangen.

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