Diese Geschichte schrieb karla-schulz-autorin.jimdosite.com @karla.schreibt.drabbles Krimi

Sonntagmorgen

„Guten Morgen“, grüßt Wollweber die Kollegen beim Aussteigen. Das Knallen der Tür hallt in der kühlen Morgenluft unnatürlich laut die Straße hinunter.

„Morgen, Chef. Wir warten noch auf den Rest der Kollegen. Tatort ist gesichert.“

„Wo lang?“

Kommissar Kluger weist seinem Chef den Weg. Hinter der Gartentür stehen bereits zwei schwarze breite Ausrüstungskoffer. Ein Kollege in weißem Anzug übergibt sich geräuschvoll ins Gras. Gemeinsam gehen sie durch die helle Eingangstür hinein ins Haus. Fünf Stufen und dann nach links. An der Tür bleibt Wollweber stehen und zieht scharf die Luft ein. Der Geruch von Tod liegt schwer in der Luft, der Boden rund um die Lache, die sich noch in den Nebenraum erstreckt, ist Blut verschmiert. Wollweber presst unwillkürlich die Hand vor dem Mund. Ein toller Sonntagmorgen. Mit schnellen Schritten ist er wieder draußen, saugt die klare Luft in seine Lungen. In einer Gartenecke gackern Hühner. Nachdenklich starrt er auf die Garage, während er den Reißverschluss des Anzugs schließt: „Zeugen?“

Kluger räuspert sich: „Schwester und Mutter des Toten. Die können aber keine Angaben zum Tathergang machen. Haben angeblich nachts nichts gehört. Der Tote kommt für gewöhnlich gegen Mitternacht von der Spätschicht, gelegentlich war die Freundin zu Besuch.“

„Haben wir schon ihre Personalien?“

„Ja, Kollegen zur Befragung sind unterwegs.“

„Sind die Seelsorger angefordert?“

„Ebenfalls unterwegs.“

„Gut, ruf´ die Kollegen zur Einweisung zusammen.“

Wollweber betritt das Haus erneut und geht die Treppe nach oben: „Guten Morgen. Ich bin Kriminalhauptkommissar Wollweber und leite die Ermittlungen.“ Dabei zeigt er kurz seinen Dienstausweis.

„Wir werden Sie dann gleich mitnehmen zur Dienststelle, um Ihre Aussagen aufzunehmen.“ Wollweber nickt der jungen Kollegin zu, die schon eifrig einige Daten und Fakten auf ihrem Notizblock niedergeschrieben hat und wendet sich wieder zur Treppe. Dabei nimmt er mit den Augen die Details der Wohnung auf: schlicht und funktional ohne Schnickschnack, keine Zerstörung. Die Kollegen würden später einen genaueren Blick hinein werfen.

Zurück im Garten erwartet ihn bereits die vollzählige Ermittlergruppe in weißen Ganzkörperanzügen.

„Zuerst das Grundstück und die Garage, dann bringen wir die Angehörigen raus und machen drinnen weiter. Egal, was ihr findet, alles sichern. Wer geht mit mir in den Stall?“ Voigt meldet sich. Wollweber weiß, dass dessen Vater Geflügel züchtet, und nickt zustimmend. Paarweise durchkämmen die Beamten das gesamte Grundstück nach Spuren, Wollweber und Voigt betreten unterdessen das Gehege des Federviehs. Hinter der ersten Gittertür stehen hüfthohe Behälter mit Futtermitteln an der Wand. Dann folgt die eigentliche Tür zum Gehege, die mit mehreren Riegeln verschlossen ist. Voigt lässt den Lichtstrahl seiner Taschenlampe unter dem zweiten Schieber ruhen. Rostrot schimmert dort getrocknetes Blut. Dann das Prozedere: Fotos, Spur abtupfen und etwas abschaben fürs Labor. Scharrend rutschen die Riegel in ihren Schienen zurück, die Scharniere der Tür knarren. Der Auslauf ist leer, doch aus dem Stall empfängt sie wildes Gackern und Flügelschlagen.

„Chef“, Voigt stupst Wollweber an und deutet auf einen Strauch, der im Gehege steht. Etwas bewegt sich dahinter. Wollweber und Voigt nähern sich von verschiedenen Seiten dem Busch und blicken vorsichtig dahinter. Doch lediglich zwei Sperlinge fliegen auf und setzen sich auf den Hühnerstall. Im unteren Geäst ist aber ein Beutel versteckt, darin finden die beiden Kommissare zwei Astscheren. Gewissenhaft nehmen sie Abstriche und tüten ihren Fund ein. Sichtbares Blut ist nicht daran. Sie würden die Mutter danach fragen müssen.

„Was ist eigentlich mit dem Vater des Opfers?“

„Angeblich zur Nachtschicht. Kollegen fangen ihn in der Straße ab und bringen ihn gleich in Präsidium.“

„Gut. Dann sehen wir mal in den Stall. Die Kollegen müssen nachher noch die Futtertonnen inspizieren.“

Im Stall finden sie nur eine Schar aufgeregter Hühner, die nach draußen drängt und sich aufs Futter stürzt. Mit den Beweismitteln verlassen sie das Gehege. Voigt trägt alles ordnungsgemäß in eine Liste ein, während Wollweber sich ein Update geben lässt.

„Bisher wurde rund ein Dutzend Garten- und Astscheren gefunden, teilweise mit Anhaftungen, die Blut sein könnten.“ Kommissarin Lutz hält ihm ihr Smartphone hin. Auf dem Foto liegen etliche Zangen und Scheren auf einem Gartentisch.

„Nach ersten Angaben des Gerichtsmediziners sind die Verletzungen von zwei unterschiedlichen Waffen, der Todeszeitpunkt liegt wohl zwischen Mitternacht und morgens. Durch das Ausbluten kann das derzeit nicht genau bestimmt werden.“ Wollweber atmet hörbar ein, nimmt einige Asservatenbeutel und geht ins Haus.