Diese Geschichte schrieb @autorenrookie Thriller

Ein Fehler zu viel

„Guck mal, die Pflaume sieht aus wie ein Herz. Oder ist das eine Zwetschge?“

„Keine Ahnung, was das für ein Obst ist. Ich mag die eh nicht. Entweder zu sauer oder voller Würmer. Außerdem sieht das für mich eher aus wie ein Arsch.“

„Mann, Ron, du bist echt voll der Romantiker.“

„Für Romantik wurde ich nicht ausgebildet. Und Herz kann ich da keines erkennen. Egal, wie man das Ding dreht und wendet, es sieht aus wie ein Arsch. Und unten steckt ein Stock drin. Wie bei dem Typen, auf den wir seit über einer Stunde warten.“

„Du kannst mir mein schönes Bild nicht versauen. Ich bleib dabei, das ist ein Herz!“

Geradezu liebevoll streichelte sie über die Frucht, um sie im nächsten Moment auseinanderzureißen und sich beide Teile auf einmal in den Mund zu stopfen.

„Ach, und das war jetzt romantisch?“ Er schüttelte den Kopf. „Manchmal hast du echt einen Vogel, Sabrina.“

„Ich hab keinen Vogel, ich hab Hunger.“ Interpretierte Ron aus ihrem undeutlichen Genuschel, das eher nach ‚ihaheho ihahuha‘ klang und sah zu, wie sie kurz drauf zwei Kerne zum halboffenen Fenster rausspuckte.

„Keine gute Idee …“

„Was, dass ich jetzt ein Pfund Steinobst verdrückt habe? Hast du Angst, dass ich davon Bauchweh bekomme?“

Wie um ihn zu provozieren, griff sie zur Wasserflasche und öffnete demonstrativ den Verschluss. Zischend entwich überschüssige Kohlensäure. Vernehmlich gluckernd trank sie den halben Flascheninhalt. Schließlich entließ sie ihrerseits Kohlensäure geräuschvoll durch die Kehle und grinste.

„Das war jetzt auch wahnsinnig romantisch.“ Ron zog die Brauen hoch und schüttelte wieder den Kopf. „Wie gesagt, du hast einen Vogel, Sabrina.“

„Du mich auch Ron.“ Sie fummelte seitlich an ihrem Sitz herum und verstellte die Rückenlehne nahezu in die Waagrechte und schloss die Augen. „Weck mich, wenn sich was tut.“

Die Romantikerin rechts neben ihm wollte wohl keine weitere Konversation. Ron verzog die Mundwinkel, atmete tief durch und dachte an ihren Plan. Das finale Setting waren sie beide bereits x-mal durchgegangen. Die Zielperson würde zwar erst in einer Stunde auftauchen, aber er war gerne früher Vorort, um alle Gegebenheiten abzuchecken.

Magenknurren riss ihn aus seinen Gedanken und er blickte auf die Uhr. Noch etwa 20 Minuten, bis sie dran waren. Bescheuert, dass er nicht daran gedacht hatte, sich etwas zu essen zu besorgen. Andererseits konnte keiner ahnen, dass heute der Tag der Tage wäre. Plötzlich musste es ganz schnell gehen, damit der von langer Hand vorbereitete Plan wirklich funktionierte. Sabrina hatte sich offensichtlich besser vorbereitet und ihr Obst mitgebracht. Andererseits ganz schön unkollegial. Sie hätte zumindest Sandwiches einpacken können oder sowas.

Die nächsten Minuten zogen sich wie heißer Käse auf überbackenen Nudeln. Regelmäßiges Magenknurren ließ Ron nur noch ans Essen denken. Bis er durch sein Präzisionsglas Bewegungen ausmachte.

„Hey, wach auf!“ Sein Schlag mit dem Handrücken hätte vermutlich Rocky Balboa aus den Schuhen gehauen. „Wir sind dran.“

„Spinnst du! Brauchst mir nicht gleich den Arm zu brechen. Außerdem war ich die ganze Zeit wach. Bei dem Krach, den dein Magen veranstaltet, kann kein Mensch schlafen.“

„Hättest mir halt auch was zum Essen mitgebracht und nicht nur an dich gedacht.“

„Also erstens hab ich dir was angeboten …“

„Ja toll, das widerliche Obst mit Arschgesicht …“

„Pfff … kann ich was dafür, dass du keine Pflaumen magst. Abgesehen davon bin ich nicht deine Haushälterin. Und jetzt Schluss damit. Da kommt er!“

Mit an Hexerei grenzender Schnelligkeit hatte Sabrina ihr Scharfschützengewehr einsatzbereit und das Ziel anvisiert. Der Typ mit dem Stock im Arsch hatte keine Chance. Ein leises Plopp und Sekundenbruchteile später sackte der Kronzeuge zwischen seinen beiden Personenschützern zusammen. Auftrag erfüllt.

Fast.

Im nächsten Moment blickte Sabrina ungläubig zu Ron. Den Einstich der Spritze in ihrem Hals hatte sie kaum bemerkt. Während das lähmende Gift durch ihre Adern raste, nahm Ron ihr das Präzisionsgewehr aus den bewegungsunfähigen Händen, legte es auf den Rücksitz.

„Ich habe dir gesagt, dass das mit den ausgespuckten Kernen ein Fehler war. Ein Fehler zu viel! Da ist überall deine DNA dran und wir haben keine Zeit, die alle aufzusammeln.“

Er löste ihren Gurt, beugte sich über seine sterbende Ex-Partnerin, um die Tür zu öffnen und schubste sie aus dem Auto. Dann jagte er mit seinem E-Auto nahezu lautlos davon.